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Vibra Lounge

Interaktive Klanginstallation mit taktilem Feedback

9/99

Christian Möller


Die Idee:

ist die spektakulär überzeichnete Zukunftsvision des Musik-Clubs in Form eines Audio-Exploratoriums, dessen formale Ausgestaltung irgendwo zwischen Ballhaus und Rollschuhbahn angesiedelt ist.

Einen Club in dem die Perzeption von Musik und Klang in experimenteller Umkehrung nicht mehr vor allem akustisch sondern taktil stattfindet. Es entsteht eine räumliche Umgebung, in der Klang, im Kontext der Schwingungstechnologie ausgestellt, zur körperlichen Erfahrung für die Besucher wird.



Üblicherweise hörbare Ereignisse werden auf der "Frequenz-Piste" per Vibration in Form von "Körperschall" durch den Fußboden auf die Besucher übertragen.

Technologie, die in der Fahrzeugtechnik zum egalisieren von vibrationsbedingten Störgeräuschen (Active Vibration Controll, AVC) eingesetzt wird, wird hier verwendet, um einen hochartifiziellen Erlebnisraum zu erzeugen;

einen Raum, in dem der Fußboden zum Display wird und sich seinen Begehern "taktil" mitzuteilen vermag;

eine Matrix aus "begehbaren Lautsprechern", die, da sie keinerlei Luftschall bewegen für Personen außerhalb der aktiven Flächen, unhörbar bleiben.

Es entsteht die Möglichkeit des völligen Eintauchens in eine Umgebung aus Klang trotz vermeintlicher Stille.

Musikalische Kompositionen und "künstlich intelligente Geräuschwelten" werden "am Leibe erlebt", für den hörenden und den tauben Menschen im gleichen Maße.



Der Raum:

hat Hallenatmosphäre und entspricht in seiner Anmutung einer hochwertigen Rollschuh- oder Schlittschuhbahn. Er ist zur Hallendecke hin offen und erstreckt sich entlang der gläsernen Hallenfassade über eine Fläche von etwa
33 x 39 Metern.

Die Frequenz-Piste:

Die Mitte des Raumes wird durch das Hauptaktionsfeld, die "Frequenz-Piste", bestimmt. Diese ist wie ein "Pool" um 1,20 m gegenüber den umliegenden Bodenflächen abgesenkt und besitzt einen Bodenbelag aus handelsüblichen verzinkten Gitterrosten in Feldgrößen von je 1 x 1 Meter, unter dem sich die Aktuatorentechnik befindet. Die sich aus der Absenkung ergebenden, die Piste umlaufenden, "Banden" sind mit einer horizontalen Streifentextur versehen.





Das Audiodisplay:

Von außen betrachtet erleben die Besucher den Raum in einem ambiente-artigen Grundrauschen, das sich ihnen im Moment des Betretens der Ereignisfelder druckvoll differenziert.

Der aktive Fußboden (Körperschall):

Jedes der 1 qm großen Bodenfelder der Piste ist mit Hilfe von Gummi-Metall-Schwinglagern auf ca. 15 cm hohe Betonfertigteile montiert, die ohne weitere Befestigungen frei auf dem vorhandenen Hallenboden stumpf aneinanderstoßend verlegt werden. Jedes aktive Feld besitzt unterseitig befestigt einen elektromagnetischen "Körperschallaktuator", der eine "Schwingmasse" und damit den Gitterrost computergesteuert in einem Frequenzspektrum zwischen 1 - 200 Hz bewegt. Im günstigen Fall schwingt ein so animiertes Bodenelement nahezu geräuschlos, da der Lochanteil des Gitterrostes zu hoch ist, um vernehmbar Luftschall zu evozieren.




Zusätzliche Lautsprechersysteme (Luftschall):

Auf 8 m Höhe wird der Raum von Stahlseilen durchspannt, von denen farbige Kunststoffhalbschalen ("Localizer") abgehängt werden, die an großformatige Pendelleuchten erinnern und für den Raum über der "Piste" einen horizontalen Abschluß nach oben darstellen.

Localizer sind Lautsprechersysteme, die einen Klang in "Kopfhörerlautstärke" an einen ganz bestimmten Ort im Raum projizieren können, der nur an diesem einen spezifischen Ort (Focused Sound Field) und nirgendwo sonst im Raum für den Besucher hörbar ist.


Die Klangstrukturen:

Alle hier verwendeten Klangstrukturen sind nach dem Prinzip des „physical modeling“ entwickelt. Idee ist es, ein physikalisches Modell des klangerzeugenden Objektes digital zu simulieren und dieses dann in eine selbst definierte Umgebung, in eine „Welt“ hinein zu plazieren. Dort wird das Objekt mit einem ebenfalls selbst zu entwerfenden „Anstoß“ zum Klingen gebracht. Auf diese Weise ist es möglich, Klänge zu erzeugen, die physikalisch der gleichen Familie zuzuordnen sind und die unabhängig von ihren Frequenzen einen harmonischen Zusammenklang ergeben.





Partituren für Luft- und Körperschall im Sound-Exploratorium:

In den Zonen unterhalb der „Localizer“ befindet sich das Sound-Exploratorium. Hier können Besucher kurze Musikstücke hören die speziell für die separierte Wahrnehmung per Ohr und Körper komponiert sind.

An diesen Orten sind Melodien und Flächen einer Partitur zu hören, während die dazugehörigen rhytmischen Elemente aus dem Fußboden heraus direkt auf den „Zuhörer“ einwirken. Es entsteht eine völlig ungewohnte und im hohen Maß aufregende Variante möglicher Perzeption von musikalischer Komposition.


Das Artificial Lifesystem

Neben den aktiven Flächen des „Sound-Exploratoriums“ werden alle anderen Bereiche durch ein sich schwarmartig bewegendes „Artificial Lifesystem“ animiert. Innerhalb eines virtuellen Modells der Installation bewegt sich ein Partikelschwarm nach einem Bewegungsalgorithmus, abhängig von aktueller Anzahl und Position der Besucher in der Installation.

Das virtuelle Modell entspricht in seiner Geometrie genau den realen Installationsproportionen und stellt das grafische Interface der Installation dar.

Ein Rasterfeld des Installationsbodens beginnt augenblicklich zu vibrieren, sobald sich ein Partikel im dem zugehörigen virtuellen Quadranten befindet. Die Anzahl der Partikel, die sich gleichzeitig im gleichen Quadranten aufhalten, verändert die vom Aktuator zu vibrierende Frequenz. Die Wirkungsweise der Vibrationen auf den menschlichen Körper ist frequenzabhängig extrem unterschiedlich und variiert von hochangenehm bis zu schwer zu ertragen. Bewirken einige Partikel im gleichen Quadranten für den Besucher nur ein Kitzeln, wird er sehr vielen Partikeln auf Dauer weichen. Der Partikelschwarm wird ihm folgen bis...


Interfaces und Besucherinteraktion:

Zur Interaktion mit dem System stehen den Besuchern Mikrofone zur Sprach- oder Geräuscheingabe (Händeklatschen etc.) und ein video-basierendes Bewegungserkennungssystem zur Verfügung.

In der Deckenkonstruktion der Halle sind lichtstarke schwarz/weiß Videokameras installiert, die senkrecht nach unten gerichtet die Vorgänge auf der Frequenz-Piste verfolgen. Ein Computersystem liest aus den eingehenden Bilddaten die Koordinaten der Besucherpositionen heraus und läßt sie als grafische „Icons“ im virtuellen Modell erscheinen.

Visuelles Display:

Die der Glasfassade gegenüberliegende Wand dient über ihre Gesamtbreite als Aufprojektionsfläche. In einer abstrakten schwarz/weiß Liniengrafik wird das 2D-Modell der Installation mit den aktuellen Positionen der vom System erkannten Besucher dargestellt. In diesem Rastersystem bewegt sich das den Boden animierende und auf die Besucher reagierende Partikelsystem.




Komposition:
Ludger Brümmer

Programmierung:
Daniel Schmitt
Thomas Lauerbach

Aktuatorentechnik:
Tillman Freudenberg

Lichdesign:
Nathan Thompson